Ausgangspunkt der Arbeit bildet die Frage, wie mithilfe von Sichtfeldern und -verbindungen Hinweise zur ehemaligen Höhe valentinianischer Grenzanlagen am Hochrhein gewonnen wer-den können. Als Einstieg in die Thematik folgt in einem...
moreAusgangspunkt der Arbeit bildet die Frage, wie mithilfe von Sichtfeldern und -verbindungen Hinweise zur ehemaligen Höhe valentinianischer Grenzanlagen am Hochrhein gewonnen wer-den können.
Als Einstieg in die Thematik folgt in einem historischen Überblick die Behandlung der Zeit ab der Aufgabe des Obergermanisch-Raetischen Limes und der Rückverlegung der Grenze an Rhein, Iller und Donau Ende des 3. Jh. Dieses auf Flüssen basierende Grenzsystem, das im Gegensatz zum Obergermanisch-Raetischen Limes wesentlich einfacher zu versorgen und zu überwachen war, wurde unter Diokletian (284–305), Konstantin dem Grossen (306–337), Juli-an (360–363), aber vor allem unter Valentinian I. (364–375) ausgebaut. Ab dem Beginn des 5. Jh. nimmt der Grad der Überlieferung zwar ab, in der Forschung geht man heute jedoch davon aus, dass am Hochrhein weder die römische Herrschaft noch der römische Einfluss zum Erliegen kam und auch kein vollständiger Truppenabzug erfolgte.
In der archäologischen Forschung gab es verschiedene Versuche, die ehemalige Höhe von Wachttürmen zu rekonstruieren. Neben ikonographischen Vergleichen, bei denen die Trajans- und die Marcussäule in Rom herbeigezogen werden, gibt es auch den Ansatz, anhand der Spitzgräben, die gemäss militärischer Logik vom Turm aus ohne toten Winkel einsehbar sein mussten, die Turmhöhe zu rekonstruieren. Meistens wird aber mit dem archäologischen Befund ar-gumentiert, wobei vor allem die Stärke des Fundaments resp. des Mauerwerks herbeigezogen wird. Ausgehend von der Voraussetzung von Sichtverbindungen zwischen den Türmen konnte ferner am Odenwaldlimes zwischen den Türmen 10/8 und 10/9 eine Mindesthöhe bestimmt werden. Die vorgeschlagenen Höhen für die Türme am Obergermanisch-Raetischen Limes liegen im Bereich zwischen 7.50 und 12 m. Jene für die spätantiken Anlagen zwischen 10 und 20 m. Aufgrund dieser Angaben wurde der Untersuchungsbereich der valentinianischen Anlagen auf eine potentielle Höhe zwischen 0–20 m beschränkt.
Inwieweit Sichtbarkeitsanalysen überhaupt zur Rekonstruktion der Höhe von Wachttürmen herangezogen werden können, hängt massgeblich von dem spätantiken militärischen Signalwe-sen ab. Grundsätzlich geht es also darum, zu schauen, welches Wissen potentiell im 4. Jh. zur Verfügung gestanden wäre. Aus der griechischen Antike sind verschiedene Signalsysteme be-kannt, allerdings waren diese im zerklüfteten Griechenland wohl verbreiteter als in den römischen Provinzen mit ihrem weitausgebauten Strassensystem. Trotzdem gibt es mit Flavius Vegetius, Ammianus Marcellinus und dem sog. Byzantiner Anonymus verschiedene spätantike Quellen zum Signalwesen. Hinterfragt und tendenziell als ungünstig betrachtet wird wegen hoher Fehleranfälligkeit eine Signalisation von Wachtturm zu Wachtturm und eher davon ausgegangen, dass hinter den Wachttürmen an topographisch günstig liegenden Orten Signaltürme positioniert waren.
Bezüglich der Berechnungen stellten sich in methodischer Hinsicht einige Fragen. Schwierig war vor allem zu entscheiden, welche Anlagen in die Analyse mit einbezogen werden sollten. Hier wurde ausgehend von den Angaben in der Literatur nach folgenden Kriterien entschieden: Wies eine Anlage weder einen rhombischen Grundriss, noch einen Balkenrost oder römische Funde auf, so wurde sie nicht berücksichtigt.
Anschliessend wurde ein dem Rhein entlang von Turm zu Turm verlaufendes Relief erstellt und für jede Anlage untersucht, wie hoch sie hätte gewesen sein müssen, wenn die benachbarten Türme eine Höhe zwischen 0–20 m gehabt und Sichtverbindung bestanden hätte. Die auf diese Weise ermittelten Mindesthöhen liegen alle zwischen 0 und 10 m. Abgesehen von den Sicht-verbindungen wurde für jeden Turm auch ein Sichtfeld mit einem Radius von 10 km berechnet und graphisch dargestellt, bei welcher Turmhöhe welches Gebiet hätte überblickt werden können. Interessant ist, dass viele Türme bei der Erhöhung um einem Meter auf 5, 7 und 12 m relativ viel überblickbares Gebiet hinzugewinnen.
Zusammenfassend kann deshalb gesagt werden, dass eine Höhe von 7–13 m nicht unwahrscheinlich ist, wenn man nicht von einer einheitlichen Höhe aller Türme ausgeht. Allerdings sind diese Ergebnisse mit Vorsicht zu betrachten, denn sie gelten nur unter bestimmten Vorbehalten, wie dass zum Beispiel keine zusätzlichen Türme fehlen, dass das Gelände sich in den letzten 1‘650 Jahren nicht verändert hat oder dass die Sichtverbindung damals überhaupt eine Rolle spielte.