Drafts by Christian Schmidt-Wellenburg

Gesellschaftliche Krisen treten uns heute insbesondere als globale und transnationale Phänomene e... more Gesellschaftliche Krisen treten uns heute insbesondere als globale und transnationale Phänomene entgegen. Das haben uns im letzten Jahr die COVID-19 Pandemie und im letzten Jahrzehnt die Finanzmarkt-bzw. Weltwirtschafts-, die europäische Wäh-rungs-, Migrations-, und Integrationskrise und nicht zuletzt die Krise der US-amerika-nischen Demokratie gezeigt. Derartige Krisen werden damit nicht nur zur Herausfor-derung für theoretische Konzepte, die im Kontext nationaler Gesellschaftsvorstellun-gen entwickelt und angewendet werden. Vielmehr sieht sich die Soziologie ebenso vor methodologische Herausforderungen gestellt, da sie mit den auf nationale Kontexte zugeschnittenen Methoden die in transnationalen Kontexten entstehenden und sich lokal, national und regional äußert unterschiedlich auswirkenden Krisen nur unzu-reichend zu fassen vermag. Vor allem die nationalstaatliche und räumliche Prägung von Datenformaten, die multilokale Verankerung transnationaler Milieus, die Dominanz nationaler gegenüber lokalen, regionalen oder transnationalen Interpretationssche-mata, und die Pluralität kultureller Kontexte stellen forschungspraktische Herausforde-rungen dar. Eine Reihe von Arbeiten hat sich in den letzten Jahren diesen Herausforderungen ge-stellt und ein stetig wachsendes Repertoire einer transnationalen Krisenforschung ge-schaffen. Dabei reproduziert sich aber die schon aus nationalen Zusammenhängen bekannte Arbeitsteilung: Einerseits existieren quantitative Studien, die das Ausmaß von Krisen und deren länderspezifische Verläufe komparativ untersuchen. Hierbei wird vor allem auf Methoden der Surveyforschung und auf Einstellungsdaten zurückgegrif-fen. Andererseits gibt es qualitative Studien, die das Auftreten von Krisen ebenso wie Krisenwahrnehmung und-erleben, politische Reaktionen und gesellschaftliche Verän-derungen komparativ mit Hilfe von Fallstudien analysieren. Hierbei wird vor allem auf Methoden der interpretativ-rekonstruktiven Sozialforschung zurückgegriffen, um Pro-zesse des Strukturwandels nachzuzeichnen oder Typologien von Krisen und Krisen-reaktionen zu erarbeiten. Diese quantitativen und qualitativen Forschungszusammen-hänge stehen jedoch weitgehend unvermittelt nebeneinander. Die vorgeschlagene Plenarsitzung setzt sich zum Ziel, dem entgegen zu wirken und die Möglichkeiten der Methodenintegration zur Analyse krisenhafter Entwicklungen zu diskutieren. Eine solche Diskussion lässt sich mit Bezug auf drei zentrale Aspekte von Krisen füh-ren. Erstens werden Krisen als eklatante Abweichung vom Normalzustand begriffen, sodass sich die Frage stellt, wer die Krise als Krise wahrnimmt, wie unterschiedliche Krisenwahrnehmungen entstehen und sich durchsetzen. Zweitens wird verschieden
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