Die Schrecken des Nationalsozialismus sind heute europaweit für viele ältere Roma und Sinti ein zutiefst prägender Teil ihres Lebens, für zahlreiche unter ihnen eine traumatische Erinnerung, die sie Tag für Tag, oder wohl zutreffender...
moreDie Schrecken des Nationalsozialismus sind heute europaweit für viele ältere Roma und Sinti ein zutiefst prägender Teil ihres Lebens, für zahlreiche unter ihnen eine traumatische Erinnerung, die sie Tag für Tag, oder wohl zutreffender Nacht für Nacht begleitet 1 , über die aber kaum gesprochen wird. Nicht nur die Überlebenden selbst, auch Kinder und Enkel, leiden unter den Folgen des Nationalsozialismus. Wie viele Roma und Sinti wagen eine bewusste Auseinandersetzung mit der schmerzlichen Geschichte, mit diesem Völkermord, der für die Täter ohne Konsequenzen blieb? Wie viele schreiben über den Nationalsozialismus oder nähern sich künstlerisch dieser Thematik? Einem -wohl eher kleinen -Fachpublikum sind zahlreiche Namen von AutorInnen bekannt, die Frage lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber noch nicht beantworten. 2 In diesem Beitrag soll u.a. gezeigt werden, weshalb es schwierig ist, einen Überblick über literarisches Schaffen der Roma zu bekommen. Durch das Aufzeigen der Schwierigkeiten kann gleichzeitig auf Wege hingewiesen werden, die Roma und Sinti, Romisten, interessierte KollegInnen kulturwissenschaftlicher Fächer, inklusive aller europäischen Philologien (und einiger außereuropäischer Sprachen) beschreiten könnten, um Texte von Roma ans Tageslicht zu bringen. Texte von Roma erscheinen auf Romanes in einer großen Zahl unterschiedlicher Varianten sowie in vielen anderen -vor allem europäischen -Sprachen. Auch macht es wenig Sinn, zwischen Mündlichem und Schriftlichem eine zu starre Grenze zu ziehen. Die Kultur der Roma ist stark mündlich geprägt: Formen des mündlichen Erzählens und musikalisches Schaffen besitzen in der Kultur der Roma einen hohen Stellenwert, 1 Me sako djes vi nasula sune si ma, ke vi nasul trajo sas ma, na, de š ejori, de kodoj nasula sune so si pa KZ, kodola sa opre lav, cajchnij le e klajbasesa. Opre uš tav taj kodo bildo kerav, hod te aš ol kodo suno. (Jeden Tag habe ich auch böse Träume, denn ich habe auch ein schlechtes Leben gehabt als Kind. Aber jene bösen Träume über das Konzentrationslager, alle nehme ich auf, ich zeichne sie mit dem Bleistift. Ich stehe auf und mache ein Bild, damit dieser Traum verewigt bleibt.) Stojka 2001, S. 304f. 2 Vgl. Eder 1993, S. 91-145.