Wie realistisch sind die Erwartungen an Citizen Science in den Geschichtswissenschaften und angrenzenden Feldern?
Citizen Science in den Geschichtswissenschaften. Methodische Perspektive oder perspektivlose Methode?, 2023
Citizen Science hat in den vergangenen zehn Jahren im deutschsprachigen Raum viel Aufmerksamkeit ... more Citizen Science hat in den vergangenen zehn Jahren im deutschsprachigen Raum viel Aufmerksamkeit bekommen. In Form von nationalen Förderprogrammen bis hin zu neuen Arbeitsschwerpunkten an Universitäten werden heute Ansätze unterstützt, die dazu beitragen, Bürgerinnen und Bürger in Forschungsprojekte zu integrieren. Auch in den Geisteswissenschaften entstehen immer mehr solcher Projekte, wobei ihr Anteil am gesamten Citizen-Science-Feld verglichen mit dem anderer Disziplinen noch immer sehr gering ist. Dabei sind die Erwartungen sehr hoch und die Lobeshymnen auf die Potenziale des Feldes überbieten sich gegenseitig. So soll Citizen Science unter anderem dazu beitragen, Impulse und Perspektiven aus der Gesellschaft in die Forschung zu tragen, neue Forschungsfragen zu entwickeln, mehr Bevölkerungsgruppen für Forschung zu begeistern, die Relevanz der Forschung für die Gesellschaft aufzuzeigen oder das Verständnis für wissenschaftliche Methoden in der Bevölkerung zu stärken. Citizen Science soll Wissenschaft demokratisieren und gilt dabei als Heilmittel gegen Falschinformation, Populismus, Hate Speech, die Aufspaltung der Gesellschaft, die Klimakrise und zahlreiche andere problematische gesellschaftliche Entwicklungen.
Hohe Erwartungen also, die von den Akteurinnen und Akteuren des Feldes selbst gern repliziert werden, um sich Fördergelder und Aufmerksamkeit zu sichern. Doch hehre Ansprüche können mit großer Enttäuschung einhergehen, wenn sie nicht erfüllt werden. So sind Förderprogramme und Arbeitsschwerpunkte, Vernetzungs- und Capacity-Building-Initiativen oder Museumsstellen zu Citizen Science in Deutschland in der Regel nicht dauerhaft finanziert. Kann das Feld die hoch gesteckten Erwartungen nicht erfüllen, ist es deshalb nicht unwahrscheinlich, dass die Ressourcen dafür wieder gestrichen werden. Dies gilt umso mehr, als Citizen Science durchaus nicht unumstritten ist. Neben Lobeshymnen gibt es auch Kritik. Diese thematisiert meist andere Gesichtspunkte als die genannten Erwartungen, beispielsweise Befürchtungen bezüglich der Datenqualität oder die Angst vor dem Ersatz von Forschungsstellen durch ehrenamtliche Laienarbeit. Und sie wird, so zumindest der Eindruck der Autorin, oft von Menschen vorgebracht, die über keine eigenen Erfahrungen in entsprechenden Projekten verfügen. Obwohl diese Aspekte seit Jahren intensiv im Feld diskutiert werden und es zumeist Lösungsansätze für sie gibt, zeigen sie doch, dass das weitgehend positive Stimmungsbild schnell umschlagen kann, sollten die gesellschaftlichen Ziele nicht erreicht werden.
Deshalb soll hier ein kritischer Blick darauf geworfen werden, inwieweit Citizen Science in den Geschichtswissenschaften und angrenzenden Feldern tatsächlich die erhofften Potenziale eröffnet und zu den gewünschten Änderungen geführt hat bzw. führen kann. Zwar wurden – so viel sei vorweggenommen – zahlreiche Potenziale bis dato nur bedingt umgesetzt. Wie sie tatsächlich ausgeschöpft und die Erwartungen erfüllt werden können, zeigen aber die bisherigen Grenzen von Citizen Science und die durch sie deutlich werdenden Stellschrauben.
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Hohe Erwartungen also, die von den Akteurinnen und Akteuren des Feldes selbst gern repliziert werden, um sich Fördergelder und Aufmerksamkeit zu sichern. Doch hehre Ansprüche können mit großer Enttäuschung einhergehen, wenn sie nicht erfüllt werden. So sind Förderprogramme und Arbeitsschwerpunkte, Vernetzungs- und Capacity-Building-Initiativen oder Museumsstellen zu Citizen Science in Deutschland in der Regel nicht dauerhaft finanziert. Kann das Feld die hoch gesteckten Erwartungen nicht erfüllen, ist es deshalb nicht unwahrscheinlich, dass die Ressourcen dafür wieder gestrichen werden. Dies gilt umso mehr, als Citizen Science durchaus nicht unumstritten ist. Neben Lobeshymnen gibt es auch Kritik. Diese thematisiert meist andere Gesichtspunkte als die genannten Erwartungen, beispielsweise Befürchtungen bezüglich der Datenqualität oder die Angst vor dem Ersatz von Forschungsstellen durch ehrenamtliche Laienarbeit. Und sie wird, so zumindest der Eindruck der Autorin, oft von Menschen vorgebracht, die über keine eigenen Erfahrungen in entsprechenden Projekten verfügen. Obwohl diese Aspekte seit Jahren intensiv im Feld diskutiert werden und es zumeist Lösungsansätze für sie gibt, zeigen sie doch, dass das weitgehend positive Stimmungsbild schnell umschlagen kann, sollten die gesellschaftlichen Ziele nicht erreicht werden.
Deshalb soll hier ein kritischer Blick darauf geworfen werden, inwieweit Citizen Science in den Geschichtswissenschaften und angrenzenden Feldern tatsächlich die erhofften Potenziale eröffnet und zu den gewünschten Änderungen geführt hat bzw. führen kann. Zwar wurden – so viel sei vorweggenommen – zahlreiche Potenziale bis dato nur bedingt umgesetzt. Wie sie tatsächlich ausgeschöpft und die Erwartungen erfüllt werden können, zeigen aber die bisherigen Grenzen von Citizen Science und die durch sie deutlich werdenden Stellschrauben.