Papers by Norbert Andersch

Gestalt theory, Jul 31, 2023
"(Das) Grundbedürfnis", so SK Langer (1965/1942, 49), "das ohne Zweifel nur beim Menschen in Ersc... more "(Das) Grundbedürfnis", so SK Langer (1965/1942, 49), "das ohne Zweifel nur beim Menschen in Erscheinung tritt, ist das Bedürfnis des Symbolisierens. Die Bildung von Symbolen ist eine ebenso ursprüngliche Tätigkeit des Menschen wie Essen, Schauen oder Sichbewegen. Sie ist der fundamentale, niemals stillstehende Prozess des Geistes. Zuweilen sind wir seiner gewahr, zuweilen sehen wir nur die Resultate und merken dann, dass Erfahrungen unser Gehirn durchlaufen haben und dort verarbeitet worden sind." Als epigenetische Regeln werden jene interaktiven, mentalen und biologischen Fortschritte bezeichnet, die alleine dem Menschen das Potential darstellender Bildhaftigkeit wie auch der Sprache ermöglichen; die ihn -anders als den Rest der Tierwelt -unwiderruflich zum "animal symbolicum" machen, wie es der Philosoph Ernst Cassirer ausdrückte. Ich beziehe mich in diesem Beitrag vor allem auf bildbasierte Symbolvorgänge, die in der menschlichen Frühzeit, im Traum und in der Imagination, später in der Malerei, aber auch in Skulptur, Musik und Tanz -oft schon vor der elaborierten Sprachentwicklung und parallel zu ihr -eine exzeptionelle Rolle spielen.

Sehepunkte
Vincent van Gogh. Jeder von uns kennt seinen Namen und jeder glaubt seine wichtigsten Bilder zu k... more Vincent van Gogh. Jeder von uns kennt seinen Namen und jeder glaubt seine wichtigsten Bilder zu kennen. Die Szenerien seiner Landschaften und seine (Selbst)portraits sind weltweit bekannter als die von Rembrandt und Picasso und auch sonst: wer hat nicht von seinem abgeschnittenen Ohr gehört, dass er krank, wenn nicht gar verrückt war, endend mit seinem frühen, ungeklärten Tod, möglicherweise gar Selbstmord. Nie hat er ein Bild verkauft; ein tragisches Künstlerschicksal eben, das einen irgendwie berührt. Die Bilder selbst: faszinierend. Die Farben: bizarr aber eindrucksvoll. Den endlosen Reproduktionen seiner Werke entkommt man nicht. Weder im privaten noch im öffentlichen Raum. Ein Massenphänomen. Und ein großes Geschäft. Zwischen 50 und 100 Millionen $ wurden zuletzt für auktionierte 'Van Goghs' bezahlt. Das ist krass, wenn man bedenkt, dass er selbst zeitweilig nicht genug zu essen hatte.

Gestalt Theory, 2023
Zusammenfassung
Vor fast 100 Jahren positionierte sich die deutsch-amerikanische Philosophin Sus... more Zusammenfassung
Vor fast 100 Jahren positionierte sich die deutsch-amerikanische Philosophin Susanne K. Langer - auch für heutige Verhältnisse - sehr forsch und selbstbewusst in der Domäne männlicher Bewusstseinsforschung. In diesem Beitrag möchte ich sie und ihre bislang noch wenig bekannte Bewusstseinstheorie vorstellen. Insbesondere ihr dreibändiges Hauptwerk “Mind: An Essay on Human Feeling” (1967, 1972, 1982), das bis heute aus dem amerikanischen Original leider nicht ins Deutsche oder andere Sprachen übersetzt ist. Was Susanne Langer auszeichnet, ist ihre gedankliche Nähe zu vielen Gestalttheoretikern, sowie die überragende Bedeutung, die sie der Symbolisierung in der menschlichen Bewusstseinsbildung zuschreibt. Dabei liegt ihr Focus auf den frühen, vorsprachlichen Gestaltungsebenen von Symbolen als lebendigen Spannungsträgern. Langer postuliert, dass Formsuche, Gestaltbildung und alle Entwicklungsschritte der Symbolisierung immer ein komplementäres Moment ausdrücken; eine Polarität, einen Dualismus: “eine Verbindung von Form, Ereignis und Sein von geradezu dialektischem Charakter” (Schultz, 2000, 53).
Ich möchte die Bedeutung ihrer Überlegungen für das Verständnis psychischer Störungen aufzeigen und auf eine anhaltende, durch sie aber neuerlich aktualisierte Diskussion verweisen, die versucht, das komplexe Verhältnis von Bildproduktion, Gestalt und Symbol zu erhellen und auf sicherere Grundlagen zu stellen.
Keywords: SK Langer, Gestalt, Symbolization, Feeling. Die verborgene Macht der Symbole "(Das) Grundbedürfnis", so SK Langer (1965/1942, 49), "das ohne Zweifel nur beim Menschen in Erscheinung tritt, ist das Bedürfnis des Symbolisierens. Die Bildung von Symbolen ist eine ebenso ursprüngliche Tätigkeit des Menschen wie Essen, Schauen oder Sichbewegen. Sie ist der fundamentale, niemals stillstehende Prozess des Geistes. Zuweilen sind wir seiner gewahr, zuweilen sehen wir nur die Resultate und merken dann, dass Erfahrungen unser Gehirn durchlaufen haben und dort verarbeitet worden sind." Als epigenetische Regeln werden jene interaktiven, mentalen und biologischen Fortschritte bezeichnet, die alleine dem Menschen das Potential darstellender Bildhaftigkeit wie auch der Sprache ermöglichen; die ihn-anders als den Rest der Tierwelt-unwiderruflich zum "animal symbolicum" machen, wie es der Philosoph Ernst Cassirer ausdrückte. Ich beziehe mich in diesem Beitrag vor allem auf bildbasierte Symbolvorgänge, die in der menschlichen Frühzeit, im Traum und in der Imagination, später in der Malerei, aber auch in Skulptur, Musik und Tanz-oft schon vor der elaborierten Sprachentwicklung und parallel zu ihr-eine exzeptionelle Rolle spielen. Sie transportieren transkulturell universale Beziehungssetzungen, Zeitabläufe, Perspektive und Zukunftsorientiertheit, die den Blick auf die individuell einzigartige Verfasstheit menschlicher Welterzeugung öffnen. Die entscheidend revolutionären Veränderungen dieser, historisch schwer zu fassenden, Übergangsperiode vom Tier zum Menschen mögen sich-extrem langsam-über hunderttausende von Jahren vollzogen haben. Beginnend mit einem Vorbewusstsein, einem noch triebgesteuert, frühen Herausspringen (und wieder Verblassen) von Formereignissen, noch unkoordiniert, noch ungeordnete Akzentuierungen, doch schon nahe an der Grenze zwischen "natürlichem" Ausdruckserleben und ersten Formen geistiger Gestaltung. (Schwemmer, 1997, 77) "Das Auftreten von Symbolen in der menschlichen Stammesgeschichte"-so Brady Wagoner (2008, 469)-"hat unwiderbringbar die Kette zerbrochen, die
The British Journal of Psychiatry
This book is quite a challenge to psychiatrists. Before having a chance to get your own take on t... more This book is quite a challenge to psychiatrists. Before having a chance to get your own take on the contemporary 'crisis of psychiatry' the reader is puzzled by a frontpage which blasts out the authors radical and final verdict on the whole matter: today's psychiatry is "a dead man walking".

Bloomsbury Academic eBooks, 2023
Andersch’s chapter ‘Semiotics in Psychiatry and Psychology’ reminds the reader of the cline betwe... more Andersch’s chapter ‘Semiotics in Psychiatry and Psychology’ reminds the reader of the cline between nature and culture by positioning symbolism at the core of the psyche’s pathology and ways in which the clinician can use this understanding to engage effectively with patients. Additionally, the chapter provides a historical review of the roles of semiotics and symbolic research more broadly, advocating for a semiotic and symbolic approach to psychopathology as a fundamental therapeutic tool for the clinician. The post-war world saw a fracture between the study of symbolism and the typical empirical investigations into the brain, with psychiatry mainly concerning itself with the need to prove its worth as a medicine and not as a ‘magical’ enterprise, as was believed at the time. Already with Freud, there was a call for more human interaction and less ‘brain centric’ approaches, based on the importance of symbols to human consciousness. With Jung, symbols and individuation became inseparable, and consciousness was bonded to the symbolic realm via its repository of archetypal structures. Cassirer then argued that the human cultural world, endowed symbolically, constitutes the irrevocable break from the animal world (1979). From here, Andersch discusses the inner workings of the human psyche and ways in which serious mental illnesses, such as bipolar disorder, psychosis and schizophrenia, can be viewed as losses to the interactive (pattern based) symbolic safety-net. The chapter provides key insights into the practices of clinicians, as well as surveying the views of key theorists and their schools of thought from the Genetic Structuralists, to the Freudians, Empiricists, and Pragmatists, identifying the Russian/Baltic/Scandinavians as the forerunners of the psycho-semiotic world. Andersch also suggests that future research on mental pathologies will be better informed if theorists and practitioners revisit the interplay of ideas shared between Cassirer and Peirce, which elucidate the nexus between symbolic and mental aspects of consciousness.

Die Psyche als Ort der Gestaltung: wenn Bilder zu Bewusstsein kommen., 2022
Mir liegt mir daran, die strukturelle Nähe der Bewusstseinstheorie der deutsch-amerikanischen Phi... more Mir liegt mir daran, die strukturelle Nähe der Bewusstseinstheorie der deutsch-amerikanischen Philosophin Susanne Langer zu den Symbolkonzepten von CG Jung und Erich Neumann deutlich zu machen; und diese Drei in ihrer Sonderheit ins Verhältnis zu setzen zu den derzeit vieldiskutierten Theorien des Neurowissenschaftlers Michael Tomasello über kooperative Entscheidungsprozesse (eine "joint intentionality") als spezifisches Merkmal bewusster Menschwerdung. Was Jung, Neumann und Langer verbindet, ist die überragende Symbolbedeutung in der Bewusstseinsbildung, aber auch ihre Symboldefinition, die schon auf der frühen Bildebene das Potential von Symbolen als lebendigen Spannungsträgern herausarbeitet: Symbole als "kodifiziertes Paradoxon", als eine inForm -Setzung des Komplementaritätsprinzips, als energiegeladene Bausteine menschlichen Denkens und Handelns. Die verborgene Macht der Symbole Die Einladung zur Tagung zitiert Erich Neumann und bezieht sich dabei vor allem auf bildbasierte Symbolvorgänge, die in der menschlichen Frühzeit, im Traum und in der Imagination, später in der Malerei, aber auch in Skulptur, Musik und Tanz-oft schon vor der elaborierten Sprachentwicklung und parallel zu ihr-eine exzeptionelle Rolle spielen. Sie transportieren transkulturell universale Beziehungssetzungen, Zeitabläufe, Perspektive und Zu
Gestalt Theory, 2011
... It was only Aaron Gurwitsch (1949) who, referring to the works of Merleau-Ponty and Cassirer,... more ... It was only Aaron Gurwitsch (1949) who, referring to the works of Merleau-Ponty and Cassirer, followed this route, researching and exploring the missing link ... In: Matthies, M., Malchow, H. & Kriz, J. (Eds): Integrative System Approaches to Natural and Social Dynamics, 517-537. ...

Individuale Autoregulation ist die selbstzentrierte Funktionsebene unseres Daseins, die uns als S... more Individuale Autoregulation ist die selbstzentrierte Funktionsebene unseres Daseins, die uns als Spezies über zehntausende von Jahren Existenz und Überleben gesichert hat. Sie unterliegt allerdings anderen Verlaufsgesetzen als unsere soziale Abstimmung mit der Außenrealität. 'Autoregulation' heißt, dass der Binnenbewertung eingehender Information-der Rückkopplung intentionaler Impulse an innere (durchaus auch kulturell determinierte) Schablonen und Strukturen-zeitweilig Vorrang gegeben wird vor sozialem Konsens, kollektiver Vereinbarung und aktiver symbolischer Vermittlung; dass die kulturell erworbenen Werkzeuge zur Zerteilung erfahrenen und gespeicherten Erlebens, die Mittel zu ihrer Schematisierung und Kategorisierung partiell außer Dienst gestellt sind und eine rezeptive Mentalität einsetzt, die enger an motorische Reaktion und das Abrufen gespeicherter Alt-Muster gekoppelt ist 2. Autoregulation ist eine Selbstzentrierung, die mentale Formelemente nach anderer Logik verbi...

Gestaltpsychologische Ansätze in der Psychiatrie in den 20er und 30er Jahren Einleitung "Das Ganz... more Gestaltpsychologische Ansätze in der Psychiatrie in den 20er und 30er Jahren Einleitung "Das Ganze ist etwas anderes als die Summe seiner Teile" gilt bis heute als gängige Kurzdefinition des Gestaltgedankens. Spezifischer formulierte Max Wertheimer (1880-1943): "Es gibt Zusammenhänge, bei denen nicht, was im Ganzen geschieht, sich daraus herleitet, wie die einzelnen Stücke sind und sich zusammensetzen, sondern umgekehrt, wo-im prägnanten Fall-sich das, was an einem Teil des Ganzen geschieht, bestimmt von inneren Strukturgesetzen dieses seines Ganzen. (…) Gestalttheorie ist dieses, nichts mehr und nichts weniger" 1. Die Gestalttheorie erforschte primär Probleme der Wahrnehmung, des Erinnerns, des Denkens und Problemlösens. Kurt Lewin (1890-1947) erweiterte diese Fragestellungen umfassend auf das Verhalten, der Neurologe Kurt Goldstein (1978-1965) auf die ganzheitliche Funktionsweise des Organismus. 2 Der vorliegende Beitrag fokussiert bewusst nicht auf Wertheimer und die weiteren ‚Väter' der Gestalttheorie, Kurt Koffka (1880-1940) und Wolfgang Koehler (1887-1967), die alle der sog. Berliner Schule zuzuordnen sind. 3 Der Schwerpunkt liegt auf dem lebendigen Diskurs zwischen Neurologie, Psychiatrie, Anthropologie, Philosophie und theoretischer Psychopathologie der Weimarer Jahre, in denen gestaltpsychologische Ansätze intensiv diskutiert wurden. Erwähnung

The international congress on „The Symbolic Construction of Reality” (Tokio 2016) came up with th... more The international congress on „The Symbolic Construction of Reality” (Tokio 2016) came up with the following statement: „The concept of ‚symbol’ is without doubt in the core of the theoretical framework of the human sciences. Its relevance is beyond question and a great variety of differing notions of the symbol were developed by social behaviorists, pragmatists, cultural anthropologists, psychoanalysts, literary theorists, philosophers of life, semioticians and many more. In order to highlight the significance of symbols for the constitution of human life, (the philosopher) Ernst Cassirer defined the human being as ‚animal symbolicum’, because he considered the concept of rationality as inadequate to describe human cultural forms and realities.Yet, it remains unclear how these theoretical positions are connected to each other and to what extent they can be combined with each other. Furthermore, a concise and systematic theoretical examination of the concept of symbol is rather underrepresented”

Ernst Cassirers Beitrag zu einem "Modell mentaler Funktionsräume" von Norbert Andersch (London) D... more Ernst Cassirers Beitrag zu einem "Modell mentaler Funktionsräume" von Norbert Andersch (London) Die Suche nach einer Struktur des Seelenlebens Der Philosoph Wilhelm Dilthey (Dilthey 1924/1894) löste mit seiner Akademieschrift 1894 eine öffentliche Kontroverse aus, als er den empirischen Forschungsstrategien der Psychologie (und der hierunter subsumierten Psychiatrie) vorwarf, den Strukturzusammenhang des Seelenlebens nicht zu erfassen. Ein seinerzeit als gravierend empfundener Vorwurf, der aber fast zum Skandal wird, wenn man bedenkt, dass er in seiner Substanz mehr als ein Jahrhundert später immer noch den Zustand der klinischen Psychiatrie beschreibt. Zur Reihe der Programme einer philosophisch orientierten Erforschung von Bewusstseinsstrukturen dieser Epoche gehören auch Husserls Phänomenologie der "logischen Erlebnisse" (Husserl 1984/1901) und Natorps Forderungen nach einem "Logos der Psyche", in dem die Funktionen des Geistes, Denkoperationen und Denkstrukturen ermittelt werden sollten (Natorp 1965/1912). Arthur Kronfeld war der erste Psychiater, der sich solches Denken zu eigen machte und 1920 auch für die klinische Praxis forderte, seelisches Geschehen auf ontologisch irreduzible Eigencharaktere zurückzuführen, um Logik und Theorie der Psychiatrie zu sichern. Ernst Cassirers Projekt einer Analyse "der verschiedenen Grundformen des 'Verstehens' der Welt" oder einer "Formenlehre des Geistes" griff allgemeine Zielsetzungen dieser vorgenannten Programme auf (Plümacher 2003), erweiterte sie jedoch um die Hypothese, dass der nur dem Menschen mögliche freie Perspektivenwechsel-seine gedankliche Beweglichkeit wie seine Einzigartigkeit, Zukunft und Möglichkeitsräume zu denken-einem Wissen um relationale Ordnungen geschuldet ist, das in der Fähigkeit besteht, ihre Begrifflichkeiten auf den nichtsprachlichen Teil der Kognition auszudehnen und die 'Setzung von Invarianten' somit zu einem Grundzug der Kognition erklärt (Sandkühler 2003). Im Wandel vom "Substanzbegriff zum Funktionsbegriff', aber auch im ständig wechselnden Binnenverhältnis dieser beiden Pole liegt-Ernst Cassirer zufolge-einer der Schlüssel, wie menschliches Bewusstsein, aber auch menschliche Psychopathologie verstanden werden kann. Das Beziehungsgefüge, die Oszillation lebender Spannungsgestaltungen zwischen personaler Intentionalität und einem uns verfügbaren Resonanzraum; eine gedachte 'Matrix' von wechselnden Ebenen der Sinnstiftung und Welterzeugung öffnet erst so den Zugang zu einer 'neuen' Psychopathologie und kann dazu beitragen, das Fundament einer heilenden psychotherapeutischen Haltung zu renovieren. Ich verstehe darunter ausdrücklich auch die Behandlung schwerster Formen psychischer Erkrankungen, die heute als Schizophrenien, Psychosen und Persönlichkeitsstörungen bezeichnet werden-und das zu ihrer Heilung notwendige schöpferische Gestaltungsmoment aus Individual-und Gruppenmustern. Um mit dem Neurologen und Gestalttheoretiker Kurt Goldstein (1934) zu sprechen: im Heilungsprozess geht es um das Auffinden eines neuen Equilibriums, die gemeinsame Kreation einer neuen Vermittlungsebene nach dem Zusammenbruch alter Gestaltungsformen. Darum, wie Anerkennung, Würdigung, Respekt und therapeutische Führung genutzt werden, um so den natürlichen Heilkräften zur Wirksamkeit zu verhelfen: nämlich Spontaneität, Kreativität, Freude am Leben und am Zusammensein. Gerhard Stemberger hat auf einer gestalttheoretischen Tagung 1999 in Graz die Frage gestellt: "Gibt es eine Krankheitslehre der gestalttheoretischen Psychotherapie?-Gibt es eine Symbolische Form und Gestalt Norbert Andersch (London) Seite 2 e-Journal Philosophie der Psychologie gestalttheoretische Psychopathologie?" (Stemberger 2000). Ich möchte diese Fragen mit einem glatten "Nein" beantworten. Stembergers Darlegungen zielten indes auf einen viel weiter gesteckten Ansatz: Wie können gestalttheoretische Momente in der Psychopathologiediskussion Gewicht gewinnen? Wie müssen wir unser Verständnis von 'Gestalt' entwickeln, damit ein solches Konzept zu optimalem Nutzen gebracht werden kann? Was kann das Kraepelin'sche Paradigma von Schizophrenie und Bipolarität, was kann die geltenden Klassifikationen (ICD-10 und DSM IV) ablösen, jene ineffektiven, an rein individuellen und äußeren Merkmalen ausgerichteten Kategorien, die die klinische Praxis allgegenwärtig beherrschen? Wie können wir aus dem reellen Leben eine Abfolge von Bedingungskonstellationen extrahieren, quasi eine Invariantentheorie der Erfahrung, aus der erst dann-im klinischen Prozess-unter Zugrundelegung eben dieser neuen, allgemein * Erstpublikation in: Gestalt Theory 4/2007, S. 279-293. Wiederveröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Herausgeber.
Transforming patient care using a clinical governance programme
Professional nurse, 2003
An acute inpatient psychiatric ward suffered from low morale, high staff turnover and a lack of l... more An acute inpatient psychiatric ward suffered from low morale, high staff turnover and a lack of leadership. Taking part in a Clinical Governance Development Programme helped the ward team to examine the problems. They were then able to work in groups to identify solutions with the multidisciplinary team, patients and carers and set short- and long-term goals.

Recent biosemiotic research highlights the fact that "human individuation is (...) a doublet... more Recent biosemiotic research highlights the fact that "human individuation is (...) a doubletracked process, consisting in an incessant reconciliation or negotiation between the virtual reality that we have constructed in our minds and mind-independent reality as it impresses itself upon our lives. Human life cannot therefore be defined by its uniqueness as a particular genetic combination, but must instead be defined by its uniqueness as a temporal outcome of semiotic individuation" (Hoffmeyer, 2015b). Semiotic individuation was at the core of Ernst Cassirer's "Philosophy of Symbolic Forms" (1923/25/29). His unique approach to view 'symbolic formations' like magic, myth, religion, law, science, the arts and others as universal 'mediators' within the variable and developing levels of human worldmaking (which define the make-up of language and consciousness) was to philosophically anticipate the very idea which biosemiotic research is confirming...

versus Concrete Behaviour Both Cassirer and Goldstein can be seen as supporte rs f a philosophica... more versus Concrete Behaviour Both Cassirer and Goldstein can be seen as supporte rs f a philosophical school called 'neutral monism'. 'Impulse and form' in neu tral monism are not regarded as conflicting incompatible entities but as an ever-ch anging relationship of both, thus emerging in different qualities on a continuous lev e of existence. Wholeness and truth form a parallel plurality a manifoldness cr eated out of the full complexity of its different components. It is this what Leibniz means when describing his concept of 'harmony'. Goldstein adapted Cassirer's view that there is no hierarchy within those different levels of world-making. This provided him with a th eoretical background for what had been a puzzling experience by observing his bra n-injured patients mainly soldiers from World War I but what he now could bui ld into a theory of 'abstract versus concrete behaviour': the way brain-damaged p atients try to express themselves verbally...

Phaenomenal, 2020
Phänomenal Die Rubrik Psychotherapie und Forschung greift Themen aus der Psychotherapie-Forschung... more Phänomenal Die Rubrik Psychotherapie und Forschung greift Themen aus der Psychotherapie-Forschung im engeren Sinn wie auch aus anderen Forschungsbereichen auf und kommentiert und diskutiert sie vor allem unter dem Gesichtspunkt der Ange-messenheit und Praxisrelevanz der behandelten Forschungsarbeiten für das spezielle Gebiet der Psychotherapie.In den vergangenen Jahrzehnten wurden semiotische und symboltheoretische Aspekte in der Psychopathologie weitgehend ignoriert. Die Psychiatrieforschung konzentrierte sich auf geneti- sche Komponenten von Psychosen oder andere biologische Veränderungen im Gehirn.
Die Klassifikationssysteme ICD und DSM sind außerstande, die Komplexität menschlicher Interaktion zu erfassen. Sie sind „blind“ in Bezug auf menschliche Bedeutungsgebung, Intentionalität und Gruppenresonanz, den ständigen Wech- sel von Sinnebenen und Verhaltensmustern. Der Aufschwung bio-, neuro- und psychosemiotischer Forschung der letzten Jahre ist am psychiatrischen Diskurs bisher vorbeigegangen.
Diese Forschungen betonen, dass alle Lebensprozesse – jenseits ihrer chemi- schen Struktur und physikalischen Existenz – von Zeichen- und Signalprozessen geleitet und bestimmt sind. Diskutiert werden derzeit vorrangig Konzepte, wie die Biologie des menschlichen Gehirns über Musterbildung, Gesetze komple- mentärer Komplexität, Gestalt- oder Symbolvorgänge mit der Außenwelt vernetzt ist. Wie eine seit Mitte des 19. Jahrhunderts aktive und reichhaltige Symbolforschung seit den 1930er Jah- ren komplett aus dem psychiatrischen Diskurs verschwinden konnte, bleibt rätselhaft. Sie kann einen wichtigen Beitrag zur Reformulierung einer in die Sackgasse geratenen theoretischen Psy- chopathologie leisten.

Schriftenreihe der DGGN, 2020
Summary: Within two decades Karl Bühler (1879–1963) published a full range of internationally re... more Summary: Within two decades Karl Bühler (1879–1963) published a full range of internationally renowned studies on 'Gestalt' psychology, child psychology and linguistics with a strong focus on the transmission from cell-bound biological systems to the immaterial human symbolic character of language and consciousness. Early on, Bühler succeeded with parallel studies in medicine, psychology and philosophy, followed by habilitations and a fast-accelerating career as a researcher and brilliant lecturer in Bonn, Munich and Dresden. He was offered a professorship in Vienna, and to- gether with his wife Charlotte he founded and developed the world-famous Psychological Research Institute attracting a huge number of students and disciples. His main publications brought him international attention and famous disputes with fellow psychologists.
As a republican, democrat and being married to a Jewish wife he was arrested immediately after the "Anschluss" of Austria to the German "Reich". He was released from the concentration camp six weeks later only due to the frantic efforts of his wife and with help from Norwegian diplo- mats. In 1939 he fled to the US where his previously successful career comes to a sudden halt. This paper looks at Bühler's merits as a researcher and thinker trying to find a narrative which may help connect his very dif- ferent performances in Europe and in exile in the US.
Keywords: Karl Bühler, Language Theory, Organon-Model, Representa- tional Function of Language, Symbolisation.
Zusammenfassung: Karl Bühler (1879–1963) verfasste innerhalb weniger Jahre wegweisende Studien auf den Gebieten der Denk- und Willens-, der Gestalt-, Kinder- und Tiefenpsychologie. Seine Forschungen zur Systema- tisierung der Sprach- und Ausdrucksphänomene machte ihn bis zum Ende der 1920er-Jahre zu „dem“ europaweit renommiertesten Spezialisten in Psychologie und Sprachforschung. Seine Publikationen (u. a. Die Krise der Psychologie, 1927 und seine Sprachtheorie, 1934) erregten international Aufsehen und übten einen erheblichen Einfluss auf die Theoriebildung von Philosophen, Gestaltpsychologen und Verhaltensforschern aus.
Die Leitung der Deutschen Psychologischen Gesellschaft legte er – selbst verheiratet mit einer Jüdin – aus Protest gegen die Diskriminierung jüdischer Mitglieder 1933 nieder. 1938 wurde er sofort nach dem „An- schluss“ Österreichs von der Gestapo interniert und nach sechs Wochen Haft und Zwangspensionierung ins Exil gezwungen. Über Norwegen er- reichte er 1939 die USA, wo seine vorher glänzende Karriere in erstaunli- cher Weise abbricht. Der Beitrag nimmt neben Karl Bühlers Verdiensten, seinen weiterhin virulenten wissenschaftlichen Anregungen und seinem Vermächtnis auch die Exilsituation und seine Arbeit in Amerika in den Fo- kus.
Schlüsselwörter: Karl Bühler, Sprachtheorie, Organon-Modell, Modell selbstregulierender Systeme, Symbolfeld der Sprache.
Junge Welt, 2019
Eine Erinnerung an den vor 100 Jahren geborenen Nervenarzt, Psychotherapeuten und LSD-Forscher Ha... more Eine Erinnerung an den vor 100 Jahren geborenen Nervenarzt, Psychotherapeuten und LSD-Forscher Hanscarl Leuner und seine herausragenden Beitraege zu einer neuen "konditional-genetischen Psychopathologie".
British Journal of Psychiatry , 2019
In the mid 1990s phenomenologists made the point that their approach should be respected as one o... more In the mid 1990s phenomenologists made the point that their approach should be respected as one of several legitimate ways in finding solutions to the unsolved riddles of our profession. This position has been changed fundamentally twenty years later: now phenomenologists are pressing with their claims to be the sole core and fundamental philosophical way for understanding mental illness, going as far as suggesting that “phenomenological psychopathology can be conceived of as psychopathologia prima”(Stanghellini & Broome, BJPsych, 2014).
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Papers by Norbert Andersch
Vor fast 100 Jahren positionierte sich die deutsch-amerikanische Philosophin Susanne K. Langer - auch für heutige Verhältnisse - sehr forsch und selbstbewusst in der Domäne männlicher Bewusstseinsforschung. In diesem Beitrag möchte ich sie und ihre bislang noch wenig bekannte Bewusstseinstheorie vorstellen. Insbesondere ihr dreibändiges Hauptwerk “Mind: An Essay on Human Feeling” (1967, 1972, 1982), das bis heute aus dem amerikanischen Original leider nicht ins Deutsche oder andere Sprachen übersetzt ist. Was Susanne Langer auszeichnet, ist ihre gedankliche Nähe zu vielen Gestalttheoretikern, sowie die überragende Bedeutung, die sie der Symbolisierung in der menschlichen Bewusstseinsbildung zuschreibt. Dabei liegt ihr Focus auf den frühen, vorsprachlichen Gestaltungsebenen von Symbolen als lebendigen Spannungsträgern. Langer postuliert, dass Formsuche, Gestaltbildung und alle Entwicklungsschritte der Symbolisierung immer ein komplementäres Moment ausdrücken; eine Polarität, einen Dualismus: “eine Verbindung von Form, Ereignis und Sein von geradezu dialektischem Charakter” (Schultz, 2000, 53).
Ich möchte die Bedeutung ihrer Überlegungen für das Verständnis psychischer Störungen aufzeigen und auf eine anhaltende, durch sie aber neuerlich aktualisierte Diskussion verweisen, die versucht, das komplexe Verhältnis von Bildproduktion, Gestalt und Symbol zu erhellen und auf sicherere Grundlagen zu stellen.
Keywords: SK Langer, Gestalt, Symbolization, Feeling. Die verborgene Macht der Symbole "(Das) Grundbedürfnis", so SK Langer (1965/1942, 49), "das ohne Zweifel nur beim Menschen in Erscheinung tritt, ist das Bedürfnis des Symbolisierens. Die Bildung von Symbolen ist eine ebenso ursprüngliche Tätigkeit des Menschen wie Essen, Schauen oder Sichbewegen. Sie ist der fundamentale, niemals stillstehende Prozess des Geistes. Zuweilen sind wir seiner gewahr, zuweilen sehen wir nur die Resultate und merken dann, dass Erfahrungen unser Gehirn durchlaufen haben und dort verarbeitet worden sind." Als epigenetische Regeln werden jene interaktiven, mentalen und biologischen Fortschritte bezeichnet, die alleine dem Menschen das Potential darstellender Bildhaftigkeit wie auch der Sprache ermöglichen; die ihn-anders als den Rest der Tierwelt-unwiderruflich zum "animal symbolicum" machen, wie es der Philosoph Ernst Cassirer ausdrückte. Ich beziehe mich in diesem Beitrag vor allem auf bildbasierte Symbolvorgänge, die in der menschlichen Frühzeit, im Traum und in der Imagination, später in der Malerei, aber auch in Skulptur, Musik und Tanz-oft schon vor der elaborierten Sprachentwicklung und parallel zu ihr-eine exzeptionelle Rolle spielen. Sie transportieren transkulturell universale Beziehungssetzungen, Zeitabläufe, Perspektive und Zukunftsorientiertheit, die den Blick auf die individuell einzigartige Verfasstheit menschlicher Welterzeugung öffnen. Die entscheidend revolutionären Veränderungen dieser, historisch schwer zu fassenden, Übergangsperiode vom Tier zum Menschen mögen sich-extrem langsam-über hunderttausende von Jahren vollzogen haben. Beginnend mit einem Vorbewusstsein, einem noch triebgesteuert, frühen Herausspringen (und wieder Verblassen) von Formereignissen, noch unkoordiniert, noch ungeordnete Akzentuierungen, doch schon nahe an der Grenze zwischen "natürlichem" Ausdruckserleben und ersten Formen geistiger Gestaltung. (Schwemmer, 1997, 77) "Das Auftreten von Symbolen in der menschlichen Stammesgeschichte"-so Brady Wagoner (2008, 469)-"hat unwiderbringbar die Kette zerbrochen, die
Die Klassifikationssysteme ICD und DSM sind außerstande, die Komplexität menschlicher Interaktion zu erfassen. Sie sind „blind“ in Bezug auf menschliche Bedeutungsgebung, Intentionalität und Gruppenresonanz, den ständigen Wech- sel von Sinnebenen und Verhaltensmustern. Der Aufschwung bio-, neuro- und psychosemiotischer Forschung der letzten Jahre ist am psychiatrischen Diskurs bisher vorbeigegangen.
Diese Forschungen betonen, dass alle Lebensprozesse – jenseits ihrer chemi- schen Struktur und physikalischen Existenz – von Zeichen- und Signalprozessen geleitet und bestimmt sind. Diskutiert werden derzeit vorrangig Konzepte, wie die Biologie des menschlichen Gehirns über Musterbildung, Gesetze komple- mentärer Komplexität, Gestalt- oder Symbolvorgänge mit der Außenwelt vernetzt ist. Wie eine seit Mitte des 19. Jahrhunderts aktive und reichhaltige Symbolforschung seit den 1930er Jah- ren komplett aus dem psychiatrischen Diskurs verschwinden konnte, bleibt rätselhaft. Sie kann einen wichtigen Beitrag zur Reformulierung einer in die Sackgasse geratenen theoretischen Psy- chopathologie leisten.
As a republican, democrat and being married to a Jewish wife he was arrested immediately after the "Anschluss" of Austria to the German "Reich". He was released from the concentration camp six weeks later only due to the frantic efforts of his wife and with help from Norwegian diplo- mats. In 1939 he fled to the US where his previously successful career comes to a sudden halt. This paper looks at Bühler's merits as a researcher and thinker trying to find a narrative which may help connect his very dif- ferent performances in Europe and in exile in the US.
Keywords: Karl Bühler, Language Theory, Organon-Model, Representa- tional Function of Language, Symbolisation.
Zusammenfassung: Karl Bühler (1879–1963) verfasste innerhalb weniger Jahre wegweisende Studien auf den Gebieten der Denk- und Willens-, der Gestalt-, Kinder- und Tiefenpsychologie. Seine Forschungen zur Systema- tisierung der Sprach- und Ausdrucksphänomene machte ihn bis zum Ende der 1920er-Jahre zu „dem“ europaweit renommiertesten Spezialisten in Psychologie und Sprachforschung. Seine Publikationen (u. a. Die Krise der Psychologie, 1927 und seine Sprachtheorie, 1934) erregten international Aufsehen und übten einen erheblichen Einfluss auf die Theoriebildung von Philosophen, Gestaltpsychologen und Verhaltensforschern aus.
Die Leitung der Deutschen Psychologischen Gesellschaft legte er – selbst verheiratet mit einer Jüdin – aus Protest gegen die Diskriminierung jüdischer Mitglieder 1933 nieder. 1938 wurde er sofort nach dem „An- schluss“ Österreichs von der Gestapo interniert und nach sechs Wochen Haft und Zwangspensionierung ins Exil gezwungen. Über Norwegen er- reichte er 1939 die USA, wo seine vorher glänzende Karriere in erstaunli- cher Weise abbricht. Der Beitrag nimmt neben Karl Bühlers Verdiensten, seinen weiterhin virulenten wissenschaftlichen Anregungen und seinem Vermächtnis auch die Exilsituation und seine Arbeit in Amerika in den Fo- kus.
Schlüsselwörter: Karl Bühler, Sprachtheorie, Organon-Modell, Modell selbstregulierender Systeme, Symbolfeld der Sprache.