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Die Performativität von Marsilio Ficinos De Amore

2013

https://doi.org/10.1515/ROMA.63.9

Abstract

Miscere uerò Poëtica philosophicis docet nos omnis antiquitas, quae ante Aristotelem potissimum semper id factitauit. 2 Abstract Ficino's De Amore is considered to be a key text for the neo-platonic love theory and for the conception of the poet as an enthusiast. As such, this work had a great impact on Renaissance love poetry and poetics. While these ideas of love and poetry have been given wide attention, only few scholars have explored the brilliant literary character of De Amore. This paper analyses the philosophical ideas of love, beauty and enthusiasm as the poetics of the text and interprets its literary form as a performative strategy. In the context of the paper, the concept of 'performativity' addresses two important aspects: firstly, the speeches and the argumentation of the symposium's participants do not only explain enthusiasm, but they also enact it. Secondly, the author aims via this performance to act upon his reader's minds and to communicate the very enthusiasm it deals with.

References (15)

  1. Sprache, Wissen, Praxis. Eine kritische Bestandsaufnahme, hrsg. v. Klaus W. Hempfer und Jörg Volbers, Bielefeld: transcript, 2011, S. 13-41, hier S. 13.
  2. Vgl. Christoph Wulf und Jörg Zirfas, "Die performative Bildung von Gemeinschaften. Zur Hervorbringung des Sozialen in Ritualen und Ritualisierungen", in: Paragrana 10, Heft 1 (2001), S. 93-116.
  3. Erika Fischer-Lichte unterscheidet zwischen verkörperten -d. h. aufgeführten -und nicht verkörperten Texten, also solchen, "die in geschriebener oder gedruckter Form vor- liegen." Vgl. dies., Performativität. Eine Einführung, Bielefeld: transcript, 2012, S. 135.
  4. Bernd Häsner / Henning S. Hufnagel / Irmgard Maassen / Anita Traninger: "Text und Performativität", in: Theorien des Performativen [Anm. 10], S. 69-96, hier S. 83.
  5. Vgl. die Beispiele in John L. Austin, How to do things with words, Cambridge, Mass.: Har- vard University Press, 2 1975, S. 5.
  6. De Amore, or. I, cap. 3, S. 11: "Principio deus mentis illius creat substantiam, quam etiam essentiam nominamus. Hec in primo illo creationis sue momento informis est et obscura. Quoniam uero a deo nata est, ad deum sui principium ingenito quodam appetitu conuer- titur. Conuersa in deum, ipsius radio illustratur. Radii illius fulgore ille suus appetitus accenditur. Accensus appetitus deo totus inheret. Inherendo formatur." ("Im Anbeginn schafft Gott die Substanz jenes Geistes, die wir Essenz nennen. Dieser ist im ersten Augenblick seiner Erschaffung formlos und finster; weil er aber aus Gott entsprungen ist, wendet er sich aus angeborenem Triebe zu Gott, seinem Ursprung, zurück. Zurückge- wendet zu Gott wird er durch dessen Lichtstrahl erleuchtet. Durch dieses Strahles Glanz wird sein Trieb entzündet. Der entflammte Trieb nähert sich ganz an Gott an. Durch diese Annäherung empfängt er die Formen / wird er geformt.") Zum ‚appetitus' vgl. die ausführliche Analyse Paul Oskar Kristellers, Die Philosophie des Marsilio Ficino, Frank- furt a. M.: Vittorio Klostermann, 1972, S. 158-186.
  7. De Amore, or. II, cap. 4, S. 15: "Cum amorem dicimus, pulchritudinis desiderium intelli- gite." ("Wenn wir Amor sagen, dann mögt ihr darunter das Verlangen nach dem Schönen verstehen.")
  8. Auch Thomas Leinkauf, "Liebe als universales Prinzip -Zur Auseinandersetzung mit Platons Symposion im Denken der Renaissance: Marsilio Ficino und ein Ausblick auf die Liebes-Traktate des 16. Jahrhunderts", in: Geist, Eros und Agape -Untersuchungen zu Liebesdarstellungen in Philosophie, Religion und Kunst, hrsg. v. Edith Düsing und Hans- Dieter Klein, Würzburg: Königshausen und Neumann, 2009, S. 205-227, hier S. 212, und James A. Devereux, "The Object of Love in Ficino's Philosophy", in: Journal of the History of Ideas 30.2 (1969), S. 161-170, hier S. 162 f., bemerken das Fehlen dieses struk- turell wichtigen Arguments an dieser Stelle.
  9. De Amore, or. I, cap. 4, S. 15 f. ("Sie [sc. die concinnitas, St. Sch.] ist dreifach: So entsteht die Anmut in den Seelen durch das harmonische Zusammenspiel mehrerer Tugenden; die Anmut in den Körpern kommt von der Eintracht mehrerer Farben und Linien; die Anmut in den Klängen schließlich vor allem aus dem Zusammenklang mehrerer Stim- men. Dreifach ist also die Schönheit: in den Seelen, den Körpern und den Stimmen. Die Schönheit der Seele wird vom Geist erkannt, die körperliche durch das Auge und die der Töne durch das Ohr wahrgenommen.")
  10. So hat Plotin, Enneaden, I, 6, die stoische Auffassung von Schönheit als Symmetrie ein- zelner Bestandteile kritisiert. Vgl. hierzu Hans-Jürgen Horn, "Stoische Symmetrie und Theorie des Schönen in der Kaiserzeit", in: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt II: Prinzipat, LXIII, 3: Philosophie, Wissenschaften, Technik, hrsg. v. Wolfgang Haase, Berlin / New York: de Gruyter, 1989, S. 1454-1472; Thomas Leinkauf, "Der neuplatonische Begriff des ‚Schönen' im Kontext von Kunst-und Dichtungstheorie der Renaissance", in: Neuplatonismus und Ästhetik -Zur Transformationsgeschichte des Schönen, hrsg. v. Verena Olejniczak Lobsien und Claudia Olk, Berlin / New York: de Gruyter, 2007, S. 85-115, bes. S. 88-91 (zu Plotin) und S. 96-101 (zu Ficino);
  11. Arbogast Schmitt, "Symmetrie im Platonismus und in der Stoa. Ein antiker Gegensatz und seine Nivellierung in der Renais- sance", in: Platon, Plotin und Marsilio Ficino. Studien zu den Vorläufern und zur Rezeption des Florentiner Neuplatonismus. Internationales Symposium in Wien, 25.-27. Oktober 2007, hrsg. v. Maria-Christine Leitgeb u. a., Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2009, S. 13-50.
  12. De Amore, or. I, cap. 4, S. 15: "Nam a turpibus pudor absterret, ad honesta excellendi studium prouocat." ("Denn die Scham schreckt vom Schändlichen ab, das Verlangen, sich auszuzeichnen, treibt zum Ehrenvollen.") Das Argument stammt aus Platon, Sympo- sion 178c-179b.
  13. De Amore, or. II, 8, S. 45. ("Wo zwei sich in gegenseitiger Zuneigung umfassen, lebt dieser in jenem, jener in diesem. Solche Menschen tauschen einander gegenseitig aus, und jeder von ihnen gibt sich selbst dem anderen, um den anderen zu empfangen. Wie sie sich geben, während sie sich selbst vergessen, sehe ich. Aber wie sie den anderen empfangen, verstehe ich nicht. Denn wer sich selbst nicht hat, wird umso weniger einen anderen be- sitzen. Aber hier hat ein jeder von beiden sich selbst und hat den anderen. Dieser hat sich zwar selbst, aber in jenem. Auch jener besitzt sich selbst, aber in diesem. Also, während ich dich, der du mich liebst, liebe, finde ich mich in dir, der du an mich denkt, wieder, und ich nehme das Selbst, das ich verlor, in dir, der du es bewahrst, wieder in Besitz. Das gleiche tust du in mir.")
  14. Vgl. z. B. die Formulierungen: "Moritur enim qui amat in se ipso semel, cum se negligit. Reuiuiscit in amato statim, cum amatus eum ardenti cogitatione complectitur." Ebd., S. 47. ("Denn wer liebt, stirbt einmal in sich, indem er sich verliert. Er lebt sogleich in dem Geliebten wieder auf, wenn dieser ihn mit der Glut seines Denkens aufnimmt.")
  15. Vgl. Pierre Laurens, "Introduction", S. li, in: De Amore, der von einem "élan incantatoire ou hymnique" spricht.