Hegel
2025, Massimiliano Polselli
Abstract
In der angenehmen Hoffnung, die Sie mir neulich gemacht, einem Besuch von Ihnen entgegensehen zu dürffen, bin ich so frey bey Ihnen anzufragen, ob Sie heute Abend abkommen können, und in diesem Falle Sie su bitten, mir diesen Abend zu schenken. Hochachtungsvollst Ihr ergebenster Prof. Hegel 22/3/ 26 (= 03.22.1826). Bearbeitet von Dott. Massimiliano Polselli Burkhard Mojsisch (Ruhr-Università Bochum) Klaus J. Schmidt. (Ruhr-Università Bochum) Erläuterungen. Hegels werbende Worte " Hoffnung", " Besuch… entgegensehen zu dürfen" sowie " mir diesen Abend zu schenken"-besitzen eine ernst gemeinte Bedeutung. Denn hinter Adressaten verbirgt sich " mit hoher Wahrscheinlichkeit" eine damals in Berlin stadtbekannte und beliebte Persönlichkeit, um die sich zahlreiche Anekdoten rankten. Darüber hinaus sieht Hegel, wie darzulegen ist, eine Palette von Berührungspunkten zu dem Adressaten. Der Adressat, Friedrich Schulz, manchmal Schulz geschrieben, wurde am 20.3.1766 in Kyritz geboren. Er starb am 17.4.1845 in Berlin. Der volle Vorname ist Johann Kaspar Friedrich Schulz war 6 CONSECUTIO TEMPORUM Rivista critica della postmodernità Numero 8, Novembre 2015 Kammergerichtsreferendar, Justizrat, Geheimer Justizrat 1 , später möglicherweise Hofrat im Ministerium von Altenstein. Im Laufe seiner juristischen Tätigkeit privatisierte Schulz irgendwann und trat vor allem als Theaterkritiker in Erscheinung. Sein Pseudonym lautete: Eulalia Meinau. Schulz war Mitglied der von Achim von Arnim gegründeten Christlich-deutschen Tischgesellschaft, zu der u.a. Clemens Brentano, Fichte, Kleist, Adam Muller gehörten. Schulz schrieb Theaterkritiken zunächst für die Zeitschrift "Brennus, eine Zeitschrift fur das nördliche Deutschland", 2 dann in den von Heinrich von Kleist herausgegeben "Berliner Abendblättern 1810/1811-abwechselnd u.a. mit Kleist und Achim von Arnim-3 , schliesslich in der Haude-Spenerischen Zeitung-abwechselnd u.a. mit v. Arnim. Die Theaterkritiken der letzten Gruppe hebt Goethe lobend hervor: " Die Rezensionen der Haude"-und Spenerischen Zeitung mag ich gerne lesen" schreibt er am 18.1.1826 an Zelter. 1827 notiert Goethe in seinem Tagebuch: " ich las die Geschichte des Berliner Theaters von Friedrich Schulz" 4. Auf dem Hintergrund der Verbindung des letzteren mit dem Theater erklärt sich dessen Spitzname Theater-Schulz. In der Reihe "Kunst und Altertum" von 1823 Zeichnet Goethe Schulz zweimal aus-allerdings ohne Namensnennung 5. Das erste Mal heisst es :Einer aber tritt besonders hervor, dem das Gluck die Gunst erwies, dass er lange her gedenkt". Nach Goethe interessiert sich Schulz sowohl für das" Ganze" als auch für das " Einzelne", fur das Vergangene, um es anschaulich mit dem " wirklich Gegenwärtigen" zu vergleichen. Gerade diese Komponenten bilden für Goethe die notwendige Voraussetzung für einen erfolgreichen Zugang zur Kunst 6. In der zweiten Erwahnung bezeichnet Goethe Schulz als " Sinnesgenossen", dem er im Hinblick auf das Theater nicht nur eine 50-Jährige Erfahrung bestätigt, sondern auch ein " geistreiches Urteil", das er in " gehaltvollen Worten", " recht anmutig walten" lasse. In diesem Zusammenhang äussert er die Hoffnung, dass Schulz noch lange mit seiner Tatigkeit fortfahren möge.7 1824 zählte Schulz zu Goethes Geburtstagsgästen. 8 Da sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Hegel unter den Geburtstagsgästen befand, dürfte seine Bekanntschaft mit Schulz zumindest seit diesem Zeitpunkt bestanden haben.Goethes Lob für Schulz muss Hegel bekannt gewesen sein, denn er las und schätzte die Reihe " Kunst und Altertum", wie aus seinem Briefwechsel, aber auch aus den Vorlesungen über Ästhetik hervorgeht 9. Doch Hegel las diese Reihe nicht nur, vielmehr teilte er Goethe ahnliche Stellen aus anderen Kontexten mit 10. Darüber hinaus konnte man Hegel bis zu einem gewissen Grad zu den Sinnesgenossen rechnen, denn das Zusammenwirken von Ganzem und Einzelheit sowie das "wirklich" Gegenwärtige erhebt auch zu seinen zentralen Inhalten […]. Mit Schulz verband Hegel ferner neben der Liebe zum Theater auch eine Abwertung Kotzebues, die mit einer Verehrung Goethes einherging. Hegel stellt in seiner Ästhetik Kotzebue und Goethe angesichts des Verhältnisses der Innerlichkeit und der zu ihr gehorenden Ausserlichkeit gegeneinander. Aufgabe der Kunst ist es nach Hegel, das geistige Innere, die absolute Idee, adäquat im Äusserlichen, in der Sinnlichkeit, darzustellen. Diese Aufgabe wird allerdings nicht nur in der Ästhetik formuliert, vielmehr besitzt sie für das gesamte auf der Wissenschaft der Logik aufbauende System Gültigkeit. In der Logik ist es der absolute Begriff, der sich seine adäquate Realität verschafft, um sich als Idee zu gestalten 11[…]. Während Kotzebue bei der Äusserlichkeit lediglich zu einer alltäglichen, banalen Wirklichkeit gelange, womit er gerade den " Zweck der Kunst" verfehle, sei Goethe zu einer der " schönsten" Darstellungen des Verhältnissen von Innerem und Äusserem vorgedrungen. 12 Was dagegen die Beurteilung der Romantik anbelangt, so werden sich bei Hegel und Schulz gegensätzliche Urteile eingestellt haben. Während Schulz eindeutig zur Gruppe Arnim, Brentano und Kleist gehört 13, besitzt Hegel gerade zu dieser Gruppe ein eher distanziertes, wenn nicht sogar negatives Verhältnis. Die ohnehin wenigen Bemerkungen, die Hegel dieser Gruppe widmet,